Mit dem Martha-Saalfeld-Förderpreis unterstützt das Land Rheinland-Pfalz jährlich außergewöhnliche Literaturprojekte, die sich noch in der Arbeitsphase befinden.
Dabei werden zumeist vier völlig verschiedene Projekte ausgezeichnet.
Im Jahr 2016 wurden neben Stefan Gemmel auch Martina Weber, Maike Wenzel und Rainer Holl mit dem Preis bedacht.
Das Buchprojekt, für das Stefan Gemmel den Preis erhielt, entstand in enger Zusammenarbeit mit dem AGT-Leiter und Jugendpfleger Uwe Zissener (siehe Foto). Auf ihn geht auch die Grundidee zurück, die geboren wurde, als Uwe Zissener dem Autor von seinen AGT-Erfahrungen berichtete.
AGT ist eine Maßnahme für Jugendliche, die schon mehrfach mit der Polizei und mit Gerichten zu tun hatten, weil sie das Gesetz vielfach übertreten haben. In den meisten Fällen geht es um Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahlsdelikte.
Statt aber in ein Gefängnis gesperrt zu werden, gibt man diesen Jugendlichen eine Chance, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Die Strafen werden auf Bewährung ausgesetzt, die Jugendlichen bekommen Sozialstunden auferlegt und eben die Teilnahme an einem solchen AGT. In vielen Selbsterfahrungsübungen und an einem Team-Trainingswochenende haben die Jugendlichen einiges über sich erfahren. Und auch über die Hintergründe, warum sie manchmal zuschlagen oder Einbrüche begehen. Wichtig ist zum Beispiel die Selbstreflexion: Die Jugendlichen lernen für das, was sie getan haben, die Verantwortung zu übernehmen - also weg von der typischen Schuldverschiebung.
Stefan Gemmel hat eine solche AGT-Maßnahme, die von Uwe Zissener geleitet wurde, ein Jahr lang besucht – oder besser ausgedrückt: Er war ein Teil von ihr. Aus all diesen Begegnungen und dem Fach- und Milieuwissen von Uwe Zissener ist ein Buchprojekt entstanden, das sehr nahe an der Realität spielt, allerdings ohne reißerisch daher zu kommen. Seine Spannung erhält der Roman einzig durch die Intensität und durch den Einblick und die Nähe in die tatsächliche Erlebniswelt so vieler Jugendlicher heute.
Für das Autoren-Team Gemmel/Zissener ist die Arbeit daran aber nicht abgeschlossen, wenn das Buch bald im Arena-Verlag erscheint. Nein, hier beginnt die eigentliche Arbeit erst, denn die beiden wollen bei Lesungen und Vorträgen in Schulen Jugendliche für das Thema sensibilisieren. Es soll interaktive Veranstaltungen geben, in denen das Thema Jugendgewalt von mehreren Seiten beleuchtet wird und auch Impulse gesetzt werden, die den Jugendlichen Denkanreize für ihr eigenes Tun geben sollen.
Und für Stefan Gemmel steht noch eine ungewöhnliche Lesereise an. Denn das Preisgeld aus dem Martha-Saalfeld-Förderpreis wird er nutzen, um einige Gefängnisse in Deutschland zu besuchen (die Fahrt- und Hotelkosten werden mit dem Preisgeld abgedeckt). Dort, in den internen AGTs, möchte er das Buch vorstellen und sich von den jugendlichen Insassen noch einmal Rückmeldungen geben lassen.
„Das werden bestimmt ganz eigene Lektoratsrunden werden, auf die ich überaus gespannt bin!!!“, sagt Stefan Gemmel im Interview.